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DVD-Kritik: KurtsFilme - Gangster & Fußball

Der Kurzfilm steht in Deutschland völlig im Schatten des großen Bruders „Spielfilm“. Das ist schade, denn ein großer Teil der Regisseure hat immerhin mit Kurzfilmen angefangen, viele Regisseure drehen hin und wieder mal einen solchen, doch viel zu selten schaffen sie es ins Bewusstsein der Öffentlichkeit vorzudringen. Manchmal kommt der eine als Vorfilm vor einem Kinofilm oder der andere als Extra auf eine DVD und so bekommen ihn doch ein paar Leute zu Gesicht. Oder wenn mal ein deutscher Kurzfilm für den Oscar nominiert ist, wie im Jahr 2004 mit Florian Baxmeyers „Die rote Jacke“, wird für ein paar Tage verstärkt über das Genre geredet, aber einen Großteil der Zeit fristet diese Sparte leider ein trauriges Schattendasein.

Der Grund dafür ist aber sicherlich weniger mangelnde Akzeptanz des Publikums gegenüber dem Genre, sondern einfach die eingeschränkte Möglichkeit an gute Kurzfilme heran zu kommen. Gelegentlich laufen einmal welche in den dritten Programmen, viele Filmfestivals haben Kurzfilmsparten (und es gibt sogar eigene Kurzfilmfestivals) und dann wandert der ein oder andere auch mal auf eine DVD, aber viel ist das alles nicht.

Deshalb hat sich im Sommer 2004 in Berlin das Label „KurtsFilme“ gegründet. Ziel ist es dem Zuschauer in einem günstigen Preissegment den Zugang zu Kurzfilmen zu ermöglichen, was sicherlich auch dem einen oder anderen Jungregisseur nutzen wird, dessen Werk dann mehr Aufmerksamkeit bekommt.


Im September 2004 erschien nun die erste DVD aus diesem ehrgeizigen Projekt. „Gangster & Fußball“ lautet der Titel, der schon verraten dürfte, um was es sich bei den insgesamt drei Filmen hauptsächlich dreht: Um Gangster und um Fußball.


*** Et kütt wie et kütt ***

Im ersten Film „Et kütt wie et kütt“, auf Hochdeutsch „es kommt wie es kommt“, stehen die beiden Gangsterbosse Calli (Alexander May) und Bomber (Hans Martin Stier), der sich so nennen lässt, weil er mit richtigem Namen „Gerd Müller“ heißt, im Mittelpunkt. Calli kontrolliert Düsseldorf, Bomber kontrolliert Köln und eigentlich sind sie Feinde, die sich darum streiten, wer das zwischen beiden Orten liegende Kaff Dormagen kontrollieren darf. Doch jetzt müssen die beiden zusammenarbeiten, denn ihre Söhne sind schwul und haben eine Beziehung miteinander. Für Calli und Bomber ist klar: Das muss gestoppt werden. Ob Stripperinnen, ein Exorzist oder ein Arzt, nichts wird unversucht gelassen, die beiden Söhne wieder aufs richtige Ufer zurückzuführen. Doch Bomber hat noch ein anderes Problem: Seine siebzehnjährige Tochter Lucille (Anne Sarah Hartung) will so schnell wie möglich Sex, egal mit wem, am liebsten aber mit TV-Seelsorger Arthur (Bastian Pastewka).

Daraus ergeben sich natürlich zahlreiche brisante Komplikationen, die dem Zuschauer recht vergnügliche fünfundzwanzig Minuten bescheren. Vor allem Bastian Pastewka - wenn man einen Darsteller aus dem exzellenten Ensemble herausheben will - liefert als TV-Seelsorger eine brillante Performance ab und sorgt für einige urkomische Szenen. Regisseur Jakob Ziemnicki orientiert sich zwar - auch vom Look - sehr an Guy Ritchie, wie er im Audiokommentar auch selbst zugibt, doch das macht überhaupt nichts. Er schafft es nämlich ähnlich skurrile Personen aufeinander treffen zu lassen und so Humor zu erzeugen, der nicht erzwungen wirkt. Kleinere Schwächen hat der Film aus dem Jahr 2002 aber auch. Teilweise wirkt die Geschichte zu überfrachtet und der Stil etwas zu überdreht. Das sind aber nur geringe Mängel, die das Vergnügen kaum mindern.

Auf der DVD befinden sich noch zahlreiche interessante Extras zu „Et kütt wie et kütt“. Bastian Pastewka und Regisseur Jakob Ziemnicki erklären im Audiokommentar, einem Interview und einem Making Of noch sehr viel interessante Details zur Entstehung des Films, zu den Dreharbeiten und noch ein paar Hintergrundinformationen und lustige Anekdoten. Pastewka ist am Anfang des Audiokommentars zwar etwas zu überdreht, aber das legt sich sehr schnell. Das ist aber noch nicht alles, was die Jungs von KurtsFilme auf die DVD gepresst haben. Eine humorige Rede von Bastian Pastewka, die es nur in kleinen Teilen in den fertigen Film geschafft hat, gibt es als Deleted Scene komplett auf der DVD. Eine weitere Deleted Scence erzählt die Legende des Fußballspielers Steiner, die im Film auch kurz vorkommt, die aber noch etwas länger gedreht wurde. Auch ein alternatives Ende befindet sich auf der DVD. Hier kommt es noch zu einer Massenschlägerei, wobei man aber sagen muss, dass das Original-Ende deutlich besser und amüsanter ist.


*** Kuscheldoktor ***

Highlight der DVD ist sicher der zweite Kurzfilm: „Kuscheldoktor“. Der Kuscheldoktor das ist für die neunjährige Conny (Svea Lohde) der neue Freund ihrer Mutter: Rainer (Ralf Richter). Mit Rainer kann man nicht nur Spaß haben und Verstecken spielen, nein Rainer hat auch einen interessanten Beruf. Er operiert Kuscheltiere. Doch als Rainer nach einer Schussverletzung nicht mehr laufen kann, gibt es für ihn keine Möglichkeit mehr die kranken Kuscheltiere abzuholen und nach der Operation gesund zurückzubringen. Hilfsbereit wie sie ist, übernimmt nun Conny den Job für Rainer und wundert sich doch schon ein bisschen, was für zwielichtige Gestalten mit Kuscheltieren spielen. Bis es bei einer Lieferung zu einer Polizei-Razzia kommt....

Der Debütkurzfilm der Regisseurin Anja Jacobs gewann im Jahr 2002 beim AFI International Film Festival Los Angeles den Preis für den besten Kurzfilm und die Kameraarbeit von Mathias Fleischer wurde mit dem Deutschen Kamerapreis 2002 ausgezeichnet. Dazu war der Film als bester ausländischer Kurzfilm für den Studentenoscar 2003 nominiert. Auszeichnungen sind nicht immer Qualitätsgaranten, doch hier ist dies der Fall. „Kuscheldoktor“ ist ein brillanter Film. Mit viel Liebe zu ihren Figuren erzählt Anja Jacobs die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einem kleinen Mädchen und einem Drogenkurier. Dabei verknüpft der Film geschickt dramatische und komödiantische Elemente und es macht einfach Spaß zuzuschauen, was auch sehr am Spiel der glänzend aufgelegten und wunderbar miteinander harmonierenden Hauptdarsteller Svea Lohde und Ralf Richter liegt. Zum Gelingen des Films trägt auch die Stimme von Svea Lohde bei, die als Off-Stimme sehr gut passt. In kleinen Rollen spielen übrigens noch die Regisseure Detlev Buck und Thomas Jahn mit. Ein absoluter Sehtipp.

Leider bietet die „Gangster & Fußball“ - DVD zu diesem Film nicht ganz so viele Extras wie zu „Et kütt wie et kütt“. Ein sehr gutes Making Of, in dem auch die Regisseurin mehrmals zu Wort kommt und Storyboardzeichnungen müssen reichen.


*** Der Ball ist verdammt rund ***

Nachdem bei den ersten beiden Film mehr die Gangster im Vordergrund standen (auch wenn der erste Film kleinere Fußballelemente hatte), ist es nun im dritten und letzten Film Zeit dem Fußball etwas mehr Platz zu widmen, schließlich heißt die DVD ja auch „Gangster & Fußball“. Dabei sind die Regisseure der beiden ersten Filme diesmal vereint. Jakob Ziemnicki, der Regisseur von „Et kütt wie et kütt“, führt auch bei „Der Ball ist verdammt rund“ Regie und Anja Jacobs, die Regisseurin von „Kuscheldoktor“, zeigt sich hier für die Kamera verantwortlich. Der Film ist eine Liebeserklärung an den Fußball und vor allem an die Fans. Fan ist Anna (Anya Fischer) und heute ist ein großer Tag. Ihr Verein, die Borussia aus Dortmund, steht im Finale des UEFA-Cups 2000 gegen Juventus Turin. Doch leider hat Anna auch Geburtstag. So muss Anna den Eltern eine Krankheit vorgaukeln, um sie nicht besuchen zu müssen und dem fußballuninteressierten Freund wird mal schnell für einen Tag der Laufpass gegeben, damit dem Fußballvergnügen nichts im Wege steht. Doch leider planen die Freunde eine Überraschungsparty und so wird es ein schwieriges Unterfangen für Anna ihr Spiel zu sehen.

Fußballfans wissen natürlich, dass Borussia Dortmund nicht im Jahr 2000 gegen Juventus Turin in einem UEFA-Cup-Finale stand, doch das Bildmaterial vom Champions League - Finale 1997, das im ursprünglichen Drehbuch im Mittelpunkt stand, war unbezahlbar, und so nutzte man Bildmaterial vom UEFA-Cup-Finale 1993, einen neuen Kommentar von Werner Hansch und machte daraus ein neues fiktives Finale. Nicht-Fußballfans werden Anna vielleicht nicht verstehen, denn wie kann man Fußball dem Freund vorziehen. Das dies nicht unrealistisch ist, beweist zum Beispiel der Dokumentarfilm „Solo Ultra - Fußball ist ihr Leben“ von Erik Winkler. Auch „Der Ball ist verdammt rund“ schafft es die Leidenschaft der Fans näher zu bringen und macht zudem noch Spaß. Nur die Geschichte der verrückten Jungs von nebenan, die auch das Spiel sehen wollen, wirkt zu Beginn etwas deplaziert sowie störend und fügt sich erst gut in den Film ein, als dort der Fernseher streikt und die Chaoten natürlich zu Anna wollen, um dort weiterzuschauen. Mit dem italienischen Pizzaboten, der Juve-Fan und Annas einzige Hoffnung auf einen ungestörten Fußballabend ist, wird sogar noch etwas für die Fanverständigung getan. Insgesamt ein sehr vergnüglicher Film, der natürlich nur Fußballfans richtig ansprechen wird (glücklicherweise nicht nur Dortmund-Fans) und außerdem ein passendes Titellied hat. Es gibt also noch Hoffnung, dass es vielleicht mal einen richtig guten deutschen Fußballspielfilm geben könnte, denn Regisseur Jakob Ziemnicki hat sicher das Talent dazu.

Die DVD bietet auch zu diesem Film wieder Extras. Ein Audiokommentar von Regisseur Jakob Ziemnicki und Drehbuchautor / Darsteller Alexander Steimle liefert wieder interessante Infos zur Entstehung des Films, ist aber sicherlich nicht so amüsant anzuhören wie der Kommentar von Ziemnicki und Bastian Pastewka zu „Et kütt wie et kütt“. Dazu gibt es noch ein „Making Of“, in dem auch die Beteiligten am Film ihre ganz persönliche Liebeserklärung zum Fußball äußern dürfen.


Insgesamt haben die Macher des neuen Labels „KurtsFilme“ ein gelungenes Debüt abgeliefert. An der DVD selbst gibt es überhaupt nichts zu meckern, hat man doch alle Filme nicht nur in einer sehr guten Qualität auf die DVD gepresst, sondern sich sichtlich um Extras bemüht (die Audiokommentare und das Interview entstanden sichtlich im Vorfeld und eigens für diese Veröffentlichung). Mit „Kuscheldoktor“ ist dazu noch ein ganz hervorragender Film auf der DVD, und auch die anderen beiden Werke stehen dem in nicht vielem nach, wenn auch der dritte Film für Fußballhasser wohl eher uninteressant sein wird. Ein echter Geheimtipp für Filmfreunde, vor allem da die DVD von der Veröffentlichung an, in einem Preissegment bis maximal 10 € liegt. Man darf sich schon auf die nächsten DVDs des jungen Berliner Labels freuen. Mit den Titeln „Pulp & Style“, „Lust und Liebe“, sowie einer DVD mit den Filmen der Berliner Guerilla-Filmer „American Showdown“ sind schon drei hochinteressante Projekte angekündigt.


Dieser Beitrag wurde zuerst von mir am 26.09.2004 bei Home Cine Kongenial veröffentlicht.

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